„Pli“ lautet der Titel der Bilder von Barbara Rosengarth, die in den letzten vier Jahren entstanden sind. Er ist immer mit einer Zahlenkombination verbunden, die aus einer fortlaufenden Werknummer und dem Entstehungsjahr des Bildes besteht. So war „Pli 2901“, in warmen Orangetönen und mit einem barock geschwungenen, floralen Ornament in dunklem Rot, das 29ste Bild, das im Jahr 2001 entstand, „Pli 0704“, wiederum, mit einem ocker-gelblichem Hahnentritt-Muster auf einem kühlen, graublauen Hintergrund, das siebte Bild in 2004.
Das Wort „Pli“, auf deutsch Falte, lässt natürlich unmittelbar Assoziationen an Stoff aufkommen. In einigen frühen Bildern dieser Werkgruppe von Barbara Rosengarth liegt eine solche Assoziation durchaus nahe. So können einige Bilder mit ihrem weich bewegten, plastischen Hintergrund an den Faltenwurf von locker „plissierten“ Kleidungsstücken oder einen Vorhang erinnern. Minimale Licht-Schatten-Modulationen der einzelnen „Faltenstränge“ verstärken die Plastizität ihrer Erscheinung und erzeugen eine, wenn auch nur flache, Räumlichkeit.
Was heute völlig abstrakt erscheint begann in der Tat als realistische bzw. hyperrealistische Wiedergabe von Stoffen und Kleidungsstücken. Die Liebe der Künstlerin zum Detail, zur feinen Struktur und dem Oberflächenreiz war schon in diesen Bildern deutlich zum Ausdruck gekommen. In einem relativ raschen Prozess entfernte sich Barbara Rosengarth jedoch stetig von der realistischen Wiedergabe der Kleidungsstücke und fokussierte immer stärker Stoffausschnitte und Stoffmuster.
Im Laufe der Zeit vergrößerte Barbara Rosengarth zunehmend die Ausschnitte, nach denen sie ihre Bilder gestaltete. Bald war klar, dass es ihr nicht um den Gegenstand ging; ihre Bilder wurden immer abstrakter, je näher und genauer sie an ihr Motiv heranging. Ihr Interesse wurde also allmählich vom Muster auf die Struktur verlagert. Der Stoff war für sie nicht mehr Thema, sondern Anlass für Malerei. Faltenwurf und Ornamente boten ihr sozusagen neutrale Motive, anhand derer sie klassische Themen der Malerei, wie Oberflächengestaltung, Textur, Bildräumlichkeit oder Farbwirkung experimentell befragen konnte.
Ihre neueren Bilder allerdings, verweigern sich zunehmend einer „stofflichen“ Zuordnung . Die Faltung – es könnte auch um gefaltetes Papier gehen - bleibt zwar nach wie vor das entscheidende Kompositionselement. Sie bestimmt durch ihre Kanten die Form der im Bild befindlichen Muster – und jene wiederum rufen durch eben diese besondere Form – eine geschlossene, eine gerade oder schräg angeschnittene – die Falte. Falte und Muster bedingen also einander, jedes Element wird erst durch das andere sichtbar.
Die Plastizität der Falten, des Stoffes überhaupt, ist in den neueren Bildern stark zurückgenommen und der Gegenstandsbezug löst sich praktisch auf. Das Ergebnis sind intensive, abstrakte Kompositionen, bei denen eigentlich nur noch der Titel „Pli“ auf ihren gegenständlichen Ursprung hinweist. Die Faltung verwandelte sich in ihren neueren Arbeiten zur Linie, die die Räumlichkeit des Bildraumes stark reduziert. Die Farbe bleibt hingegen immer ein zentrales Thema, ob als Primär-, als Kontrast- oder als Komplementärwert.
Barbara Rosengarth geht systematisch vor. Für die Herstellung der Muster und Faltungen verwendet sie Schablone und Lineal. Große und kleine Punkte, Kreise und Kreissegmente, schmale und breite Streifen, aber auch textile Motive wie der „Hanhnentritt“ oder „Glencheck“ bilden solche gleichmäßige Muster, deren Einförmigkeit nur vom unregelmässigen Rhythmus der Falten gestört wird. Bei aller Systematik und Regelmäßigkeit aber, bleibt der Duktus der Hand, die Setzung des Pinselstrichs sichtbar. In den jüngsten Bildern tritt das Malerische sogar stärker zum Vorschein, die Bewegung des Pinsels um die Punkte erzeugt eine ganz eigene, gewebeartige Struktur.
Meistens trägt die Malerin die Farbe lasierend auf, sodass diese transparent und durchschimmernd bleibt. An den stellenweise unterschiedlichen Farbnuancen wird der sehr langsame, fast meditative Entstehungsprozess des Bildes sichtbar. So kann man, vor allem bei größeren Bildern erkennen, dass der Hintergrund beispielsweise in schmalen senkrechten Streifen von links nach rechts entstanden ist. Um die Vertikale der Falten zu konterkarieren, baut Barbara Rosengarth ihre Bilder jedoch oft bewusst in horizontalen Streifen auf.Die Punkte werden zunächst ausgespart und erst in einem zweiten Arbeitsgang deckend ausgemalt. Durch diese unterschiedlichen Malweise von Figur und Grund wirken beide für sich, die Punkte scheinen nach vorne zu treten, vor dem flachen Farbraum des Hintergrundes.
Die Bilder von Barbara Rosengarth sind durch Reduktion bestimmt. Die Künstlerin reduziert nicht nur ihre Formen auf nur wenige Motive und Muster, sondern sie entschied sich auch für ein einziges Format. Ihre Bilder sind immer quadratisch. Somit sind sie ruhend, richtungslos, und wirken wie Ausschnitte aus einem größeren Ganzen.
Diese minimalistische Tendenz trifft auch auf ihre Farbigkeit zu. Oft erscheinen ihre Werke monochrom, obwohl es jeweils zwei Farben sind, die das Bild bestimmen: die Farbe des Hintergrunds und diejenige des Musters. Manchmal kombiniert sie Komplementärfarben, bei denen das Muster beim Betrachten, wie bei Werken der Op-Art, anfängt zu flimmern. Bei anderen Bildern ist das Farbenspiel ruhiger, die Töne harmonieren miteinander und lassen ein intensives, genaueres Hinsehen zu. Interessanterweise bewirken die gleichmäßige Struktur vor allem der stillen Punktbilder und das Zurückhaltende, Kleinteilige auch von fast 2m x 2m großen Arbeiten, dass sich das Auge auf dem Bild ständig bewegt. Man sucht und verfolgt den unregelmäßigen Ablauf der Faltungen und die immer wieder gebrochene Form der Muster und versucht den Rhythmus des Bildes und die feinen Farbnuancen zu erfassen.
Manchmal dominiert darin das Muster, manchmal der farbige Hintergrund. Vor allem Bilder mit einem auffälligen Muster wie Glencheck oder Hahnentritt wirken oft eher unruhig, was durch ihre Farbkombination entweder verstärkt oder zurückgenommen wird. In solchen Bildern malt Barbara Rosengarth die Muster manchmal perspektivisch, was bewirkt, dass die Oberfläche stärker bewegt und die Plastizität der Faltung intensiver erscheint. Andere Bilder wiederum strahlen grosse Ruhe aus. Eine ganz leichte Bewegung scheint die Bildfläche zu durchziehen und auch sie wird erst durch eine gewisse Distanz wahrgenommen. Mehr als dass man es erkennt, ahnt man dann das Vorhandensein mehrerer Falten, die fast unmerklich für diese leichte Bewegung sorgen und so dem jeweiligen Farbfeld eine verhaltene Spannung verleihen.
Die Variationen von Barbara Rosengarth sind sowohl konzeptuell-systematische als auch poetisch-meditative Untersuchungen über Farbe und Raum, in denen es um die Vielfalt der malerischen Möglichkeiten ihrer Beziehung und die gegenseitige Wirkung aufeinander geht. Der differenzierte Einsatz und Umgang mit Farbtönen und Strukturen zeugen sowohl vom einem beiendruckend beständigen analytischen Forschen von Barbara Rosengarth, als auch von ihrem besonders ausgeprägten, sicheren Gefühl für malerische Werte.
Katerina Vatsella